Da offenbar Unklarheit darüber besteht, ob die Deutsche Schrift schwerer oder leichter lesbar ist, als Antiqua, hier eine Kurzdarstellung. Voraussetzung ist natürlich, daß man beide Schriften gleichgut beherrscht, denn was man nicht erlernt hat, das kann man niemals besser lesen.
Das Deutsche zeichnet sich aus dadurch, daß es sehr viele lange, zusammengesetzte Wörter hat. Ungetüme wie "Donaudampfschiffahrtskapitän" kommen da auch mal vor. Unbestritten läuft die Deutsche Schrift enger, als die Antiqua, die Buchstaben sind höher und schmaler, als Lateinbuchstaben. Ein langes Wort nimmt also im Druck weniger Platz ein, als dasselbe Wort in Antiqua. Das ist schon einmal wegen der Platzersparnis und damit bei Büchern der Papierersparnis besser. Aber so ein langes Wort kann eben, wenn es enger steht, schneller mit dem Auge erfaßt werden. Somit entstehen bei der Deutschen Schrift weniger Lesefehler. Zweisprachige Bücher (etwa links englisch, rechts deutsch) haben es leichter, da die Übersetzungen des Englischen immer im Deutschen länger sind. Und die Deutsche Schrift zeigt dem Leser sofort, wo die Deutsche Sprache ist. Jeder weiß, wie lange es dauert, in mehrsprachigen Beschriftungen und Gebrauchsanleitungen den deutschen Teil zu finden - das würde mit Verwendung der Deutschen Schrift schneller gehen.
Bei der Deutschen Schrift ragen viele Buchstaben über das Zeilenband hinaus, haben also mehr ober- oder Unterlängen, als es bei der Lateinschrift ist. Beispiele sind:
(Ober- und Unterlängen:) f, h, ſ, ß, tz, x, z. Bei der Antiqua haben diese Kleinbuchstaben nie Unterlängen.
Damit fallen sie dem Auge beim Lesen eher auf, als wenn sich alles nur im mittleren Zeilenband bewegt. Das erleichtert die Lesbarkeit.
Auch bei den Großbuchstaben gibt es einige mit Unterlängen, die im Lateinischen fehlen: F, H, J, P, Y, Z.
Die Lateinschrift ist eigentlich für das Lesen von rechts nach links gemacht, denn die die Buchstaben charakterisierenden und unterscheidenden Einzelheiten finden sich rechts am Zeichen, links aber beginnen viele Buchstaben völlig gleich mit einer Senkrechten: B, D, E, F, H, I, K, L, M, N, P, R. Diese Senkrechte hilft nicht bei der Unterscheidung des Zeichens, das Auge muß sich erst in die Einzelheiten hineinquälen. Bei der Deutschen Schrift (Werkschrift) haben die Großbuchstaben auch auf ihren linken Seiten noch genügend sie charakterisierende Unterschiede, z. B. den berühmten "Elephantenrüssel".
Die Deutsche Schrift verfügt durch ihre sprachlichen Ligaturen (ch, ck, ß, ſt, tz) und ihre technischen Ligaturen (ſſ, ſi, ſl, ff, ft, fi, fl, tt, ll) über mehr Charakteristika und kann so die deutsche Sprache besser lesbar machen. Durch das Lange ſ (welches es allerdings als Rudiment auch in der Antiqua gibt) kann man viele Worte klar unterscheiden. Die Bekannten doppeldeutigen Wörter sind hier daher eindeutig: Versendung oder Verſendung, Wachstube oder Wachſtube, Häschen oder Haſchen seien als Beispiele genannt.
Die Antiqua ist eine Schrift, die ihre Ausformung der Tatsache verdankt, daß die Buchstaben mit dem Meißel in den Stein gehauen wurden. Daher gibt es die "Endstriche" (Serifen), wo der Meißel angesetzt wurde. Heutzutage muß aber niemand mehr Buchstaben einmeißeln, daher ist die Übernahme der durch den Meißel entstandenen Zeichen unlogisch. Die Deutsche Schrift wurde durch die Schreibfeder und das Medium Papier geformt, runde Bögen wurden vermieden, weil die Feder das oft nicht mitmachen konnte. Die gebrochenen Formen ahmen ein wenig auch die Runen und das Einschnitzen in Holz nach, wo man waagerechte Linien vermeiden mußte, damit das Holz nicht splitterte. Unserer ursprünglichen Holzkultur steht die Deutsche Schrift näher, als der römischen Steinkultur. Und die Deutsche Schrift entspricht auch eher unserem Formempfinden (Gotik usw.). Nebenbei ist die Deutsche Schrift auch noch neuer, als die Lateinschrift der Antike, denn die Deutsche Schrift bildete sich ja erst in der Frührenaissance heraus.
Die Deutsche Schrift ist verschnörkelt, was Technokraten gerne als "überholt" und "nicht zeitgemäß" betrachten. Schönheit kann allerdings nie verkehrt sein, und es hat sich gezeigt, daß das Auge gerade Schnörkel und Charakteristika benötigt (sowie die Groß- und Kleinschreibung), um Wörter schnell erkennen zu können. Vereinfachung (einschließlich der totalen Kleinschreibung) erschweren das Lesen. Noch immer gilt ja der Grundsatz des "Bundes für Deutsche Schrift": >Die Schrift ist nicht zum Schreiben da< - Denn ein Mensch schreibt oder druckt etwas, Millionen Menschen können es lesen. Die Schrift ist also zuerst für die Leser da, denen muß das schnelle Lesen ermöglichst werden, dem einzelnen Schreiber muß man es dagegen nicht leichter machen.
Alle diese Tatsachen sind lange bekannt, die 6 wissenschaftlichen Untersuchungen gibt es ab der Kaiserzeit. Dennoch werden sie offenbar ignoriert. Es bleibt Tatsache: Deutsche Schrift ist leichter lesbar, als Antiqua.