Wilhelm Hauffs „Mährchen-Almanache“, neu gesetzt (in Fraktur)

  • Bekannte von mir haben mich vor einiger Zeit dazu gedrängt, zusätzlich zu den E-Books auch zumindest Hauffs Märchen auch noch einmal als (Papier-)Buch neu zu setzen.


    Dies ist nun endlich vollbracht, es gibt nun die Märchen aller drei „Mährchen-Almanache“ in einem Buch, 496 Seiten DIN A5, Hard-Cover, ISBN 978‒3‒8442‒6671‒9, € 39,90.


    Die Webseite des Anbieters (mit unverbindlicher Vorschau) ist hier.


    Weil ich das nur als Hobby mache und deswegen nicht wochenlang mit verschiedenen Verlagen verhandeln kann, zumal dies trotz aller positiven Reaktionen in meinem Bekanntenkreise sicher keine Chance auf die Spiegel-Bestsellerliste haben wird, ist dies nun bei einem sogenannten „On-Demand“-Anbieter untergebracht, d.h. für jede einzelne Bestellung wird ein Buch gefertigt. Hieraus erklärt sich der leider doch recht hohe Verkaufspreis. (Mein eigener Anteil am Erlös ist verschwindend gering, aber nun ja, so ist es nun einmal mit Hobbys ;)


    Weil ich für das Buch die Verwendung der bewährten Rechtschreibung dann doch als unpassend empfand (weil es weder in Hauffs Zeit noch zur heute gelehrten Orthographie so richtig passt), habe ich mich für das Buch entschieden, Schreibungen aus der Zeit um 1870 zu verwenden, weil diese der aktuell amtlichen in mancher Hinsicht recht nahe kommt (bekanntlich war ja die „Rechtschreibreform“ in manchen Aspekten ein bewusster Rückschritt in das 19. Jahrhundert) und trotzdem bezüglich Lang-s und „ß“ noch alle Eigenheiten einer Frakturschrift respektiert.


    Bevor nun wieder die Frage aufkommt, ob denn nicht stattdessen ein echtes antiquarisches Buch aus jener Zeit zu bevorzugen sei: Nun ja, das mag natürlich jeder entscheiden, wie er mag, aber meine Vorlage von 1871, nach der ich mich ansatzweise gerichtet habe, enthielt gar nicht alle Märchen, enthielt einige wenige offensichtliche Textfehler im Vergleich zum Urtext und kostet antiquarisch in guter Erhaltung dennoch ein Vielfaches. Ein solches antiquarisches Werk wird man vielleicht nicht seinen Kindern in die Hand geben wollen, und mit in's Schwimmbad nehmen schon gar nicht :D

  • Hallo Franz, au ja, stimmt, dies hätte ich auch sofort erwähnen können...
    Ich habe für den Fließtext die von Peter Wiegel erarbeitete "Berthold Mainzer Fraktur" verwendet, für Überschriften die "Koch Fette Deutsche Schrift" (ebenfalls in der Variante von Peter Wiegel).

  • Hier nun ein Erlebnisbericht, den man unter das traurige Thema "Kulturverfall" fassen könnte:
    Weil ich bei mir zuhause immer noch ein in Folie eingeschweißtes, also neuwertiges Buchexemplar "meiner" Hauffschen Märchen herumliegen hatte, versuchte ich heute, dieses als Werbe-/Muster-Exemplar wegzugeben; daher machte ich mich auf den Weg zu einigen Buchhändlern, zusätzlich mit einem weiteren, ausgepackten Buchexemplar als vorzeigbares, lesefähiges Muster.
    Übrigens: Weil ich sowieso eher Privatperson bin und keineswegs von Buchverkäufen leben muß, hätte ich das Buch ganz einfach dem erstbesten Buchhändler *geschenkt*, der mir glaubwürdig erklärt hätte, er halte es eines Versuches wert, das Buch für gewisse Zeit bei sich im Laden auszulegen...
    Aber:
    --In einem kleinen Buchladen in der Essener Innenstadt, der sich selbst gerne als "literarisch bemühte Alternative zu großen Buchketten" darstellt, schaute der Buchhändler (zugleich einer der Ladeninhaber) etwas irritiert einige Sekunden lang auf das Buch und erklärte dann, danke nein, man interessiere sich nur für neue Literatur. Auweia, dachte ich mir, und das bei einem Buchladen namens "Proust", nicht zu fassen...
    Also direkt in eine größere Stadt, in der Hoffnung, daß sich dort auch für Nischen noch Interessenten finden...
    --In dem wohl größten Buchladen Düsseldorfs blätterte die Belletristik-Verantwortliche immerhin interessiert durch das Buch, fragte irgendwann "Sind auch Bilder darin?", fand beim Blättern natürlich die enthaltenen Illustrationen (42 Holzschnitte von circa 1870) und meinte dann "Hmm, ja, aber unsere Kunden wollen bunte Bilder!" Dies sei dann doch kein Buch für deren Kundschaft, es sei erfolgversprechender, wenn ich es einmal bei "Proust" versuche, die seien mehr an Literatur interessiert. Ich erzählte mein Essener Proust-Erlebnis und äußerte die Vermutung, das mit der neuen Literatur sei ja vielleicht auch nur Ausrede gewesen, weil der Inhaber nicht zugeben wollte, daß er nichts lesen könne... Sie meinte, das sei möglich, also, sie habe Sütterlin ja noch in der Schule gelernt, aber selbstverständlich sei das ja nicht. (Daß sie hierbei "Sütterlin" anscheinend synonym für alle Arten "altdeutscher Schrift" verwendet(e), ließ ich natürlich höflich unkommentiert...) Ob ich es dann nicht am besten über das Internet versuche? (Einerseits, ja klar, das tue ich ja offensichtlich, aber dennoch ist ein solcher Vorschlag, der das Internet fast gottgleich als Lösung aller Absatzprobleme darstellt, merkwürdig angesichts der Probleme, die das Internet alteingesessenen Ladengeschäften bereitet.) Immerhin schrieb sie mir daraufhin die Adresse eines weiteren (angeblich) literarisch/künstlerisch besonders beflissenen Ladens in der Düsseldorfer Altstadt auf...
    --Der Inhaber dieser Altstadtbuchhandlung benötigte nur gefühlt eine Sekunde, um dann so entschieden kopfschüttelnd "Nein, nein, nein" zu entgegnen (ohne irgendwelche weitere Erläuterung oder Begründung!), daß die Sinnlosigkeit jedweder Diskussion unmittelbar klar wurde... Weil ich nicht daran interessiert bin, mich zum Deppen zu machen (muß ja, wie gesagt, nicht davon leben), packte ich das Buch also umgehend wieder ein und zog ab.
    So, nun liegt das Teil immer noch bei mir zuhause herum, ich werde es also demnächst an ein noch auszuwählendes Buchmagazin als Rezensionsexemplar versenden...

  • Ich konnte mit 10 oder 11 Jahren ohne Probleme ein in Schwabacher gesetztes Buch lesen, obwohl ich damals „Sütterlin“ weder lesen noch schreiben konnte. Es ist wohl eher so, daß manche Leute ein Buch in Fraktur gar nicht lesen wollen und es daher auch noch nicht einmal versuchen. Von einer Buchhändlerin sollte man wenigstens erwarten können, daß sie ein gewisses Grundwissen auch zum Thema Schrift hat und wissen könnte, was "Sütterlin" und was "Fraktur" ist.

    »Solange etwas ist, ist es nicht das, was es gewesen sein wird« (M. Walser)

  • Beim "stationären" Buchhandel sieht es heute mit Frakturbüchern tatsächlich eher schlecht aus. Die Frakturschrift fristet leider nur noch ein Nischendasein, aber wenn man diese findet geht doch noch einiges. Der BfdS hat in den letzten Jahren seine Frakturbücher (Montzheimer/Märchen, Löns-Erstausgabe, Rübezahlbuch, Hausbuch deutsche Dichtung) im Direktvertrieb und über Messen/Ausstellungen immer an den Mann gebracht. Von den Lehrheften zur deutschen Schreibschrift ganz zu schweigen, denn die sind echte Renner. Demnächst kommt ein bebildertes Jugendlehrheft zur Kurrent auf den Markt und auch dies wird seinen Weg finden, da sind sich die Verantwortlichen ziemlich sicher.
    Gerade das Weltnetz hat es in den letzten Jahren ermöglicht, oben beschriebene ignorante Buchhänder zu umgehen und Veröffentlichungen unmittelbar unter das Volk zu bringen.

  • Einem meiner Vorredner muß ich leider Recht geben: Die meisten Leute wollen es nicht lesen. Mein erstes Frakturbuch war das "Volksbuch vom Dr. Faust" und ich las das, obwohl ich keine Vorkenntnis hatte, wenn auch anfangs langsamer. Mir fiel dann irgendwann mal auf, daß da am Wortende ein anderes s gesetzt wurde. Zuerst dachte ich damals, das sein ein Druckfehler ...


    Daß sich die Besitzer wirklich nicht mal durchringen können, das Ding einfach mal auszulegen, stimmt einen schon traurig.. Man sollte denken, es gibt doch immer eins, zwei Kunden, die genau an so etwas interessiert sein könnten.


    Schade, daß kaum mehr jemand etwas in Fraktur setzen läßt. Gerade bei Dichtung finde ich ja, daß da ein Fraktur-Werk gleich viel erhabener wirkt als eine gewöhnliche Antiqua-Ausgabe.

  • Beim "stationären" Buchhandel sieht es heute mit Frakturbüchern tatsächlich eher schlecht aus.


    Immerhin kann ich an dieser Stelle auch einmal etwas Positives vermelden: Das vierteljährlich erscheinende Literaturjournal "Lesart" (http://www.lesart-online.de), der ich vor einiger Zeit ein Hauff-Exemplar übersandte, widmete diesem nun in ihrer Herbstausgabe eine ausführliche, zweiseitige Rezension.
    Diese Rezension geht zwar nicht direkt auf die Frakturschrift ein, aber durch die enthaltenen Abbildungen, auch des Einbandes sollte dies schon deutlich werden.
    Vielmehr ist die Rezension mit dem roten Faden "Eine Neuedition sucht die Nähe zum Original" verfaßt. Der Rezensent (Klaus Bellin) machte sich die Mühe, einige Zitate von Hauff auszugraben, in denen er sich und seine Gestaltungswünsche hinsichtlich der Märchen-Almanache darstellt, und er schließt mit der Aussage, von allen (zahlreichen) derzeit feilgebotenen Hauffschen Märchenausgaben sei dies diejenige, die dem Original so nahe komme wie keine andere.


  • Diese Rezension geht zwar nicht direkt auf die Frakturschrift ein, aber durch die enthaltenen Abbildungen, auch des Einbandes sollte dies schon deutlich werden.
    Vielmehr ist die Rezension mit dem roten Faden "Eine Neuedition sucht die Nähe zum Original" verfaßt.


    Da frage ich mich nun aber schon: Ist das Absicht?


    Klingt für mich so, als meide man das Thema Fraktur, weil viele Leser dann sagen würden:


    "Was? Das ist in einer Schrift, die eh keiner mehr lesen kann? Dafür soll ich dann Geld ausgeben? Ihr könnt mich doch mal!"


    Fraktur gilt eben bei vielen Deutschen heute leider als völlig unlesbar, da gibt man freiwillig nicht Geld aus. Kenne genug solche Fälle aus meinem Alltag ...

  • Stimmt leider, kann ich aber dem Rezensenten nicht vorwerfen, der anscheinend schon versuchte, "das Beste daraus zu machen"...