Bedeutungsverschlechterung bestimmter deutscher Wörter

  • Eines der seltsamsten Dinge, auf die ich in der deutschen Sprache gestoßen bin, ist die Anzahl der Wörter, die eine eher schlechte Nebenbedeutung angenommen zu haben scheinen und mehr oder weniger aus dem täglichen Leben verschwunden sind oder sogar als Beleidigung angesehen werden.


    Das offensichtlichste Beispiel, das mir in den Sinn kommt, ist das Wort "Weib", das selbst in der jüngeren Geschichte keinerlei eindeutig abwertende Bedeutung gehabt haben muß, da es, wie ich in einer Reihe älterer katholischer Werke, die ich besitze, sehe, früher die übliche Übersetzung für "mulieres" im "Ave Maria"-Gebete war...


    Als englischer Muttersprachler finde ich das Wort "Weib" eigentlich recht hübsch, da es mich an das etymologisch gleiche Wort "wife" erinnert, was ein sehr wohlklingendes Wort ist.


    Jedenfalls kann ich mir kaum vorstellen, daß "woman" im englischen Sprachgebrauch ersetzt wird und alle Angehörigen des weiblichen Geschlechts fortan als "ladies" bezeichnet werden. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß so etwas im Französischen passiert, wo wir "mademoiselle" beibehalten haben, während das "Fräulein" völlig verschwunden ist.


    Ich weiß weniger über die Geschichte von "Dirne", aber es scheint einen ähnlichen Wandel durchgemacht zu haben, und wie bei "Weib" scheinen die abgeleiteten Begriffe nicht den gleichen Bedeutungswandel erlitten zu haben (weiblich ist immer noch üblich und ich sehe niemanden, der versucht, "Dirndl" zu ersetzen).


    Sogar sehr konservative Verlage wie der Sarto Verlag haben "Weib" in einigen Werken sogar nachträglich durch "Frau" ersetzt.


    Wie konnte es in so kurzer Zeit zu einem so gewaltigen Wandel bei diesen Wörtern kommen? Gibt es andere Beispiele für Wörter, die eine ähnlich rasche Verschlechterung ihrer Nebenbedeutungen erfahren haben?

  • Der Graf von Grafenberg, der von seinem Handel mit Dirndl ein gutes Einkommen erwirtschaftet, würde sich zurecht empören, fragte man ihn im Beisein seines Deandl nach seiner Dirne.
    Kann jemand diesen Satz für FFreund ins Hochdeutsche übersetzen?


    Ein katholisches Beispiel anzuführen, um dem Wort „Weib“ etwas Positives abzugewinnen, ist etwas weit hergeholt, wenn man bedenkt, wie diese Kirche mit Frauen umgegangen ist und umgeht. Mit anderen Worten, dieses Beispiel ist ein guter Grund dafür, daß das Wort eine negative Bedeutung bekommen hat, wenn es überhaupt je eine positive Bedeutung hatte.


    Nebenbei: Die englische Lady ist im Deutschen eine Dame, ein Fraulein hingegen eine Verniedlichung und daher klar abwertend.

  • "Fräulein" ist mitnichten eine Verkleinerungsform:
    In der Zeit vor dem 19. Jahrhundert war die Anrede „Fräulein“ auf Standespersonen beschränkt. „Frau“ oder mittelhochdeutsch „frouwe“ war keine Geschlechtsbezeichnung (dafür gab es „Weib“ oder mittelhochdeutsch „wîp“), sondern die Bezeichnung einer Adeligen, so wie auch „Herr“ keine Anrede für jedermann, sondern für den Lehnsherren war. Entsprechend bezeichneten das „Fräulein“ die Fürstentochter und der „Junker“ – der ‚junge Herr‘ – den Fürstensohn, während die „Jungfer“ bzw. der „Jungmann“ junge Frauen und Männer unabhängig von ihrem sozialen Stand bezeichneten.
    (Quelle Wikipedia)

  • Frühneuzeitliche Familienmodelle in Mitteleuropa funktionierten anders als das heutige Modell der Kleinfamilie oder Patchwork-Familie. Das Mädchen ist ja auch kein abwertender Begriff für Dienerinnen, sondern wurde als Verkleinerungsform der mhd. maged wieder in die Hochsprache eingeführt, womit einfach junge, unverheiratete Frauen bezeichnet wurden. Dass die meist Ammen- oder Dienstbotentätigkeiten übernommen haben, war der Gesellschaftsstruktur geschuldet, in der unverheiratete Frauen fernab ihrer eigenen Familie anders keinen eigenen Verdienst erhalten konnten. Das wertet aber das Mädchen im Grunde auch nicht als kleine Dienstbotin ab, außer man sucht gezielt nach solchen Bedeutungen und reißt sie aus dem Kontext.


    Ja, wir sollten davon ausgehen können, dass die meisten pejorativen Bedeutungen, die wir heute in der Sprache vorfinden, von Moralvorstellungen und Geschlechtsstereotypen aus dem 19. Jahrhundert kommen, wie auch die entsprechenden Etymologien dieser Zeit häufig tendenziös gefärbt sind. Und ja, die Kirche, zumal die katholische, ist darüber hinaus schon gar kein Gewähr für irgendeine Form von moderner oder geschlechtsneutraler Bezeichnung, die nicht irgendwie diskriminierend wäre. Weltoffenheit und Akzeptanz fängt ganz sicher nicht in religiösen Organisationen an. Im Übrigen sollte auch nicht vergessen werden, wie Luthers Frauenbild ausgesehen hat (Unreinheit, Vorschlag zur Keuschheit, Hausfrauenprimat)


    Religiöse oder eben überkommene Stereotype stellen aber keine Abwertung von Begriffen in sich dar, wie uns der moderne Genderwahn häufig Glauben machen will. Diminiutive sind schließlich auch Liebkosungsformen, die sich von vornherein auf etwas kleines oder wehrloses bezogen haben, wie Kinder z.B. Bei dem Namen Ursula (Bärchen) kommt ja auch keiner auf die Idee, dass die Eltern, die das Kind so genannt haben, es in seiner gesellschaftlichen Rolle (als Bär?) abwerten wollten. Es ist durchaus so, dass viele bestimmte Wörter aus ihrer spezifischen Sozialisation heraus schön finden. Ich habe z.B. auch das Fräulein immer als sehr höfliche und respektvoll distanzierte Anrede empfunden. Daher bin ich immer dafür, den eigenen Wortschatz zu erweitern und Sprache in der jeweils gegebenen Situation präzise zu wählen, mitunter auch zu erklären. Aber das wurde hier im Forum meist nur als Bla bla bla abgetan.

  • Die Bedeutung der Worte im Wandel der Zeiten. Ein interessantes Thema.

    Wie Hermann schön beschrieben hat, wurde das Wort Weib nicht eigentlich negativ besetzt. Es ist eher einer personellen "Aufwertung" durch die verallgemeinerte/generalisierte Anrede "Frau" zum Opfer gefallen. Damit wurde es als "veraltet" angesehen und im Umkehrschluß seine Verwendung als herabsetzend eingestuft. Im eigentlichen Sinne hat es seine reguläre Funktion zur Bennenung weiblicher Menschen noch immer nicht verloren. Es ist nur ungebräuchlich geworden.


    Beispielsweise gab es mal einen (regional verwendeten) Begriff - "Ische" - zur Bezeichnung einer festen Freundin. Der fiel irgendwie der Vergessenheit anheim, da ein, zwei Halb-Generationen nur wenig bis gar keine Mundart gesprochen wurde und tauchte später (über Jugendsprache?) als Relikt wieder auf. Allerdings wurde die Bedeutung sehr viel laxer auf jedwede Mädchenbekanntschaft verschoben. Abwertung?

    Eine Generation später ist der Begriff aber schon wieder "verschwunden". Diesmal vermutlich für immer.

  • ...und wieder hören wir Verkürzungen, in deren Zuge doch wieder auf die Semantik und gesellschaftliche Zuschreibungen eingegangen wird. Veraltet ist also schlecht, ja? Schauen wir uns mal diesen Artikel aus der Zeit über veraltete Worte im Duden an: https://www.zeit.de/zett/2018-…ng-veraltet-duden-sprache


    Das Mündel, der Ahn oder das Traktat haben also eine Bedeutungsverschlechterung erfahren, weil sie nach linguistischer Ansicht aus der Mode gekommen sind? So so,...

  • Worte wie Ahn, Vetter oder Weib haben eben keine "Bedeutungsverschlechterung" erfahren, sie stehen weiter in ihrer Aussage. Die "Bedeutungsverschlechterung" wird im Umkehrschluß hineingedichtet. Einerseits mag das motiviert sein: "Das sagt man nicht mehr (so)." - weil veraltet. Dem Sprecher wird dann unterstellt, daß er durch Verwendung eine Abwertung ausdrücken will. Wenn alle Frau verwenden, warum verwendet er dann Weib? Es gibt viele, sehr schöne, "veraltete " Worte. Such Dir ein paar aus und versuche sie im täglichen Sprachgebrauch unterzukriegen, achte auf die Reaktionen.

    Andererseits (Beispiel Ische) kann ein Wort "aus der Mode" kommen und später wieder verwendet werden. Dabei kann es zu Aussageverschiebungen kommen, da die ursprüngliche Verwendung "vergessen" wurde. Handelt es sich dabei um eine Bedeutungsverschlechterung oder nur um deren Eindeutung, da sich (im Beispiel Ische) der strikte Bezug auf eine FESTE Beziehung in der späteren Verwendung nicht mehr findet, weswegen eine rückwirkende Abwertung der vordem so Bezeichneten stattfinden würde?

    Die Alterung eines Begriffes, führt nicht zu dessen Verschlechterung.

    Und dann sind wir bei der obigen Verkürzung. Die Verschlechterung erfolgt, wenn wir sie durchführen oder zu einer solchen erklären.