Kurrentschrift im Schulbetrieb nach 1945

  • Bei der Suche nach Konkretem zur Lehre und Verwendung von deutscher Kurrentschrift im Schulwesen von Deutschland West und Ost nach 1945 habe ich kürzlich die Hefte 4 und 5 von Georg Fischers So sollst du schreiben“, Baumann KG, Kulmbach, o.D. (um 1956, da in Nr. 5 ein Literaturhinweis mit Datum 1955 vorkommt), antiquarisch erstanden.


    Kann mir jemand sagen, wo diese beiden Hefte (zusammen mit den Heften 1-3 zur lateinischen Schreibschrift, welche damit wohl zuerst vermittelt wurde) Anwendung gefunden haben? Ich habe in einem Forum ein Heft Nr. 5 gesehen, auf dem ein Schulstempel von Wiesmoor zu sehen war, also Ostfriesland in Schleswig-Holstein. Wurden diese Hefte demnach in Schleswig-Holstein benutzt und in welchen Bundesländern noch? Da die Schriftart darin der Koch-Hermersdorfer entspricht, beide zwar in Bayern gedruckt worden sind, in Bayern aber bereits 1955 eine andere Schrift anstelle dieser eingeführt worden ist, vermute ich, dass es kein Lehrmaterial an bayerischen Schulen war. Kennt jemand dieses Material, was offensichtlich für den Schulbetrieb vorgesehen war? Hat jemand dieses womöglich selber als Schüler gehabt? Wenn ja, wären möglichst genaue Angaben zu Gegend (mind. Bundesland) und Schuljahr, möglichst auch Schule bzw. Schulart willkommen.


    P.S.(1): Welches Material wurde eigentlich in Bayern 1950-55 / 1955-1971 und (im Kunstunterricht) Mitte der 80er Jahre in Bayern (wie lange eigentlich?) zum Erlernen der deutschen Schrift verwendet? Quellenangaben, Links zu Digitalisaten bzw. Bildmaterial wären auch sehr willkommen.


    P.S.(2): Kennt jemand die Jugendschriftenreihe „Kind und Welt“ (Matthiesen Verlag Lübeck u. Hamburg)? Bei dieser wurde 1964 das Heft Nr. 33 mit dem Titel „Kinder in fernem Land“ von Hermann Bühnemann veröffentlicht, gedruckt in deutscher Schreibschrift, die irgendwo zwischen der Koch-Hermersdorfer und der Schrift von 1934 zu stehen scheint? Wurde diese in Schulen verwendet, und wenn ja, wo und (bis) wann?


    P.S.(3): Und hat jemand Erfahrungen mit den folgenden beiden Titeln in Niedersachsen?

    - Arnold Lämmel: Unsere deutsche Handschrift. Reihe „Leuchtfeuer, Heimathefte zwischen Niederelbe und Ems”, Sonderheft in deutscher Schreibschrift für die Oberstufe, Verlaganstalt Wilhelm Walther, Oldenburg 1954.

    - ders.: Wer kann das lesen? - Lotte und Dieter schreiben an ihre Oma. Reihe „Leuchtfeuer, Heimathefte zwischen Niederelbe und Ems”, Sonderheft in deutscher Schreibschrift für die Grundschule, Verlaganstalt Wilhelm Walther, Oldenburg 1954


    Ich hoffe, über dieses Forum antworten zu bekommen.

    Vielen lieben Dank im voraus.

    2 Mal editiert, zuletzt von Mulan ()

  • Ich verweise mal hier auf einen Zeitzeugenbericht zur Verwendung der Schreibschrift in Bayern 1955 :https://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Offenbacher_Schrift. Der Lehrplan für Grundschulen in Bayern von 1971 zitiert Hermersdorf noch in der Literatur, auf genaue Spezifikation von Schreibschriften wird verzichtet. Aber es klingt nach einer sinnigen, soziologischen Begründung für die Abschaffung der Koch-Hermersdorfer. Schade, dass der Mann keine Kontaktdaten hinterlassen hat, wo man nach den konkreten Lehrmaterialien fragen könnte.

  • Die Bayer. Bildungspläne von 1955 und 1966 für die Volksschule liegen mir als Scans vor. Beide zeigen nicht die Koch-Hermersdorfer, sondern ganz klar Richtformen ähnlich der „Deutschen Schrift“ von 1934. (das F und das P sehen anders aus). Diese Schrift wurde auch noch einmal 1985 in den Lehrplan für das Fach Kunsterziehung aufgenommen. Auch das habe ich als Scan.

  • Dass heißt 1. noch nicht, dass es in der Praxis auch so angewendet wurde und 2. nicht, dass der Bildungsplan für Volksschulen auch für alle anderen Schulsysteme in Bayern galt.


    Wäre es nicht grundsätzlich sinnvoll, den Nachfolger des Verlags E.C.Baumann KG um Einsicht in das Firmenarchiv zu bitten? Wenn dieser Verlag die Hermersdorfer empfohlen und gedruckt hat, muss es darüber ja mal eine Entscheidung im Unternehmen gegeben haben.

  • Vielen lieben Dank für die bisherigen Antworten. Mir ist natürlich bewusst, dass nicht alles Beschlossene auch Schlag Jahr umgesetzt ist, sondern dass es Umstellungszeiten gab. Selbst bei der 1941er Umstellung auf "Normalschrift" wurde dieses vom zust. Reichsministerium berücksichtigt. Mir geht da eher um die offiziellen Festlegungen, d.h. was vorgeschrieben worden ist, also sozusagen offiziell galt. ...


    Ich habe da zwei Bücher im Fokus, welche die administrativen Kehrtwendungen beispielhaft zeigen, geradezu eine hastige Änderung andeuten könnten. Denn von Wilhelm Weidmüller sind in Ansbach im selben Jahr 1933 gleich zwei Bücher zu neuer Schreibschrift erschienen. Erst war's das Buch "Der neue Schreibunterricht in Bayern. Mit einem ausführlichen Lehrgang der Sütterlin-Schreibweise und der Brückl-Methode nach Ziffer 5 und 8 der amtlichen Richtlinien von 29.Oktober 1931", Michael Prögel Verlag, Ansbach 1933, und noch im selben Jahr eine überarbeitete Version namens "Die neue Schulschrift. Mit einem ausführlichen Lehrgang zur Schriftaneignung nach den Richtlinien vom 22. Juni 1933 und einer grundlegenden Anweisung zur Schriftpflege in allen Jahrgängen", Michael Prögel Verlag, Ansbach 1933. Ersteres betraf Sütterlin, letzteres die sog. "Volksschrift", die dann aber auch nur wieder ein Jahr hielt, bevor das Reichsministerium 1934 dann seine Version der "Deutschen Schrift" in Gestalt der senkrechten "Ausgangsschrift" für die 1.-2. Klassen und der leicht schrägen "Verkehrsschrift" ab der 3. Klassenstufe als verbindlich fürs ganze Reich einführte, welche sich an Sütterlin orientierte und zugleich die bayer. "Volksschrift" im Wesentliche übernahm mit kleinen Änderungen. Ich stelle mir so vor, wie es dem Herrn Weidmüller gegangen sein muss, als er eben noch ein Buch von 146 Seiten veröffentlichte, um binnen Jahresfrist dieses noch einmal zu überarbeiten, nun 168 Seiten stark, um den Vorgaben von Gauleiter Schemm zu entsprechen und so Sütterlin in Bayern über die Testphase nicht hinaus kam und sein 1. Buch samt Regularien für die Katz' war. ...

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